Blogbeitrag

Künstler-Rahmenbedingungen auf Tournee. Die Frage der Standards.

Kürzlich wurde ich von der Zeitschrift “Theatermanagement aktuell” um ein Interview gebeten. Eine der Fragen war, ob Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Schauspielerinnen und Schauspieler im Tourneetheaterbereich eine Rolle spielen. Um es vorweg zu nehmen: ich finde, dass dieses Thema eine ganz wichtige Rolle im Bereich des Gastspieltheaters spielt. In der Verantwortung stehen meiner Ansicht nach zwei Akteure: Der Theaterproduzent und der Veranstalter. Die Rede ist von Aufführungen im Rahmen der jeweiligen kommunalen Kultur- und Theaterprogramme. Hier bucht eine Stadt X beim Produzenten Y eine Produktion. Der Produzent kann dabei ein Privattheater sein, eine Landesbühne, ein sonstiges Theater oder Unternehmen. Veranstalter ist demnach die jeweilige Kommune, die das Gastspiel einkauft und in ihrem Stadttheater (oder Stadthalle) im Rahmen ihrer Theaterreihe aufführt. Hier – an dieser Schnittstelle – ergibt sich  im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen für Künstler*innen die Frage, in wie weit die Stadt, die Kommune (oder der öffentlich bezuschusste Kulturverein, der vielerorts als Veranstalter auftritt), eigentlich ein Interesse daran hat oder haben müsste, wie die Künstler*innen bezahlt, abgesichert und behandelt werden. Abgesehen von der Frage, ob die Künstler*innen sozialversichert engagiert wurden ( dazu gehört auch die Zusatzversorgung für Künstler – über die Bayer. Versicherungskammer), stellt sich die Frage, ob die Gagen angemessen sind, ob Spesen bezahlt werden, wie die Qualität der Hotels und der eingesetzten Fahrzeuge ist. Für all diese Dinge ist in aller Regel der Produzent bzw. das von der Kommune beauftragte Theater (-unternehmen) zuständig, denn diese engagieren und befördern die Künstler*innen. Bei ihnen schließen die Künstler*innen die Verträge, von ihnen erhalten Sie Gage und Sozialleistungen. Die Kommunen (oder Kulturvereine) zahlen in der Regel dem Produzenten (Theater) ein vorher verhandeltes und pauschales Festhonorar. Als Produzent (für den Gastspielmarkt) kann ich berichten, dass ich in fast 20 Jahren noch nie gefragt worden bin, wie die Sozialstandards in unserem Bereich sind und bei uns geregelt werden. Vielmehr habe ich beobachtet, dass oft ganze Ensembles ohne Sozialversicherung reisen und auftreten. Und dies obwohl das einschlägige Sozialversicherungsgesetz Engagements von Künstler*innen, die in einem Unternehmen (Theater) weisungsabhängig arbeiten ( ob für kurze oder längere Zeiträume spielt keine Rolle), als sozialversicherungspflichtig ansieht. Nahezu die gesamte TV- und Filmbranche war vor zehn bis zwanzig Jahren massiven Prüfungen ausgesetzt und kein Schauspieler/ Schauspielerin darf seither auch nur einen Drehtag machen, ohne dafür sozialversicherungspflichtig angemeldet zu sein. Im Theater gibt es Grauzonen und Schattenbereiche. Nicht wenige Produzenten sparen sich gerne die AG-Anteile und rechnen ihre Mitwirkenden ganz einfach auf Basis deren (nicht erlaubter) Rechnungsstellung ab. Manchmal konstruieren sie aus der laufenden Produktion ganz einfach eine Produktions-GbR: Alle bekommen eine zuvor fest vereinbarte Gage, kaum einem Ensemblemitglied ist klar, dass es als GbR-Unternehmer an Gewinn und Verlust beteiligt worden war. Kaum einer weiß, dass sie oder er durch Unterschrift unternehmerisch tätig wird und zumindest bei der Planung und Kalkulation der Produktion und Regie auch mit entscheidungsberechtigt ist. Nun könnte man sich fragen, warum die Sozialversicherung die Theaterproduzenten nicht überprüft. In unserem Unternehmen (a.gon) haben wir alle vier Jahre eine regelmäßige Prüfung. Das liegt daran, dass wir eine Betriebsnummer bei der SV haben und nur Betriebe überprüft werden, die eine Mitglieds-Betriebsnummer haben. Den Rest macht der Zoll, der zum Beispiel auf Baustellen und in der Gastronomie überprüft, bisher aber offenbar die Theater noch nicht ins Visier genommen hat. Ich denke, es wäre für die kommunalen Auftraggeber wichtig und richtig, nach zu fragen, ob die abhängig arbeitenden Künstler*innen auch angemeldet werden, wie die Unterbringungen sind, wie die Rahmenbedingungen. “Augen zu und durch” gilt nicht mehr. Jedenfalls für seriöse Veranstalter und Produzenten nicht.

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